Diesen Beitrag schreibe ich tatsächlich schon aus der Gegenwart. Ich befinde mich gerade in einem Zug der Richtung Quebec City düst. Heute in der Früh hieß es nämlich Abschied nehmen von der Alpakafarm, auf der ich als Volunteer tätig war, die für den letzten Monat mein Zuhause war. Und ich muss tatsächlich sagen, dass es nicht einfach war. Dadurch, dass ich jetzt doch all meine Tage des letzten Monats mit den Tieren und auch Menschen verbracht habe, die sich auf der Farm aufhalten und leben, habe ich sie sehr ins Herz geschlossen. Und ich werde alle unfassbar vermissen (tu ich jetzt schon).
Aber zurück zum Anfang. Am Abend des 3. April bin ich in Cobourg (einer Stadt am Lake Ontario, die sich ca. 1 ½ Stunden Autofahrt von Toronto befindet) angekommen und wurde dort von Amy, der Besitzerin der „Old Mill Alpacas“ Farm, und einem ihrer Freunde abgeholt. Angekommen im Haus wurde mir dann mein Zimmer gezeigt und ich durfte die anderen Volunteers kennenlernen. Zu der Zeit lebte in dem Haus neben mir noch ein Pärchen aus Frankreich (welches ebenfalls auf einem Working Holiday in Kanada war) und zwei Ukrainer, die aufgrund des noch immer anhaltenden Krieges in der Ukraine ihre Heimat verlassen mussten.
Zu hören, wie einer von den beiden es nur geschafft hatte die Ukraine zu verlassen (wo er ansonsten ins Militär eingezogen worden wäre) in dem er nach mehrwöchigem Training die Grenze in einer sehr waghalsigen Aktion nachts mit seinem Fahrrad passiert hatte und seine ganze Familie und sein Zuhause zurücklassen musste, hat mich irgendwie gleichzeitig schockiert und traurig fühlen lassen. Die Tatsache, dass ich auf der Farm bin, weil ich das unfassbare Privileg habe für Monate in ein fremdes Land auf einem anderen Kontinent zu reisen und er dort sein „muss“, weil er nicht mehr in seine Heimat zurückkehren kann, wo seine Familie ständigen Gefahren ausgesetzt ist, ist erschreckend und unangenehm. Auf der Farm habe ich mehrmals den Gedanken gehabt, wie dankbar ich dafür sein sollte (sollte, weil ich es oft einfach hinnehme und nicht darüber nachdenke was für ein Glück ich eigentlich habe), dass ich hier sein darf und allgemein so ziemlich alles machen kann auf das ich Lust habe. Nicht nur die Situation, in der sich die ukrainischen Männer gerade befinden hat mich darüber nachdenken lassen, sondern auch Geschichten von Amy, in welchen sie von ihrem allgemein schwierigem und einsamen Leben berichtet hat und beschrieben hat, wie schwierig es für sie war sich während den Lockdowns über Wasser zu halten und dass sich bis heute noch davon erholt. Dass sie zu der damaligen Zeit keine Volunteers aufnehmen durfte und deswegen die ganze Arbeit, die drei junge, sportliche Volunteers gerade mal so hinkriegen als Ü50 jährige allein machen musste aber ihre Tiere nie hungern hat lassen, auch wenn sie selbst kaum genug Essen hatte. Extrem beeindruckend und selbstlos.
Heutzutage hat sie zum Glück wieder die Möglichkeit bei sich wohnen zu lassen, die ihr mit all der Arbeit helfen. Denn es ist definitiv nicht wenig zu tun. Mein Arbeitsalltag begann mit dem Füttern von den rund 32 weiblichen Alpakas (insgesamt gibt es 68 (!)), bei gutem Wetter das Vorbereiten von den Weiden auf denen die Alpakas den Tag grasend und Heu fressend verbrachten und das Ausmisten der Ställe. Nachmittags wurden die Alpakas dann noch einmal gefüttert und Stroh nachgelegt für den Abend. Zwischen Morgens- und Nachmittagsschicht habe ich dann abwechselnd mit dem französischen Paar Alpakaspaziergänge und Farmrundgänge für Besucher angeleitet und bei kleineren, weiteren Aufgaben rund um die Farm mitgeholfen. Also wie man sehen kann: mir war definitiv nicht langweilig. Das viele Arbeiten hat mich aber tatsächlich nicht gestört, im Gegenteil, ich habe es sehr genossen produktiv zu sein, nachdem ich davor „nur“ rumgereist bin und hauptsächlich entspannt habe. (Das kleinbisschen Trinkgeld, was ich mir nebenbei dazuverdient habe bei Rundgängen, hat das Gefallen am Arbeiten zusätzlich noch ein bisschen verstärkt.)






So. Das war jetzt mal ein kleiner Einblick in meine Arbeit vor Ort. Das Allerwichtigste fehlt nun aber noch: die Tiere! Hier ein kleine bildliche Vorstellungsrunde:
Von den weiblichen Alpakas (Bild 1), bei denen in die meiste meiner Zeit verbracht habe, sind definitiv Sunrise (die alte Dame, die persönlich gefüttert werden musste, damit sie genug essen bekommt) und Rhapsody zu meinen Favoriten geworden. Bei den männlichen Alpakas waren Presley (der leider taub ist) und Mr. E (aka the golden Boy) (von dem ich kein gscheites Bild gemacht hab) meine Favoriten.





Neben den Alpakas leben auf der Farm auch noch Hunde und Katzen. Alle 5 Hunde sind Pyrenäenberghunde und ich finde sie schauen aus wie kleine kuschelige Eisbären. Auf Bild 2 sind Murphy und Phil (der kuscheligste und bravste Eisbärenvierbeiner) zu sehen. Neben den beiden Hunden die im „Jungs Stall“ leben, gibt es dort noch das wunderschöne Katzengeschwisterpärchen Calvin und Cally. Im Haus selbst leben dann noch drei weitere Katzen. Unteranderem auch mein Lieblingskater und Namensvetter Jules (Bild 5) (der zwar am Anfang ein bisschen zurückhaltend war, dann aber nach ein paar Tagen fast jede Nacht dicht an mich gekuschelt in meinem Zimmer geschlafen hat. 🙂 )






Nachdem man die Bilder sieht, kann man glaub ich ganz gut nachvollziehen, wieso ich mich in all diese Tiere verliebt habe und sie definitiv sehr vermissen werde.
Ich bin Amy sehr dankbar, dass ich einen Monat auf ihrer Farm verbringen durfte, wo ich Sachen erlebt habe, die ich definitiv anderswo nicht erlebt hätte. Zum Beispiel: dabei sein und ein Alpaka festhalten, während diesem die „Kampfzähne“ geschliffen werden, auf der Schaufel eines kleinen Baggers rumkutschiert werden und zu Lernen, was für unfassbar liebevolle Tiere Alpakas sind. Zufälligerweise war ich außerdem zu dem Zeitpunkt auf der Farm zu dem eine totale Sonnenfinsternis aus den USA und Teilen Kanadas zu sehen sein sollte. So auch bei uns. Und obwohl es an dem Tag leider sehr bewölkt war und wir die eigentliche Sonnenfinsternis nicht wirklich sehen konnten, war es doch spannend zu sehen wie es plötzlich dunkel und innerhalb von ein paar wenigen Sekunden wieder hell wurde.


Ich habe auf dieser Farm so viele Dinge erlebt, an die ich mich noch lange zurückerinnern werde. Ich bin sehr froh, dass ich Amy, die anderen Volunteers und all die Tiere kennengelernt habe und werde definitiv noch einmal zurückkehren. Doch fürs erste geht es für mich mal woanders hin. Mehr will ich dazu vorerst mal nicht sagen, weil das ganze noch nicht ganz durchgeplant ist. Nur eines steht fest: ich werde die nächsten paar Wochen in Gesellschaft weitere Teile Kanadas erkunden. Und darauf bin ich schon sehr gespannt. 🙂
Wiedermal ein kleiner FunFact zum Ende hin: Alpakas können, wie Lamas auch, spucken wenn sie sich unwohl fühlen oder genervt sind. So oft wie Lamas spucken sie jedoch nicht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es nicht sehr angenehm ist in Spuckreichweite eines genervten Alpakas zu stehen; der Geruch ist wirklich grauenhaft. Aber auch für die Tiere hat das Spucken Nachteile. Denn auch wenn sie immer auf unschuldig tun, von wegen „Ich weiß nicht wieso du mich so anstarrst. Ich wars nicht, das war der neben mir.“, kann man doch deutlich erkennen wer der Schuldige ist. Beispiel:

Wenn einem nämlich die gelähmte Unterlippe für die nächsten 20 minuten runterhängt, kann man zwar versuchen so unschuldig wie möglich dreinzuschauen, verstecken kann man´s aber definitv nicht.

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